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독일 라데폰발트, 공공미술 50개 깃발프로젝트, 오픈에어 전시 "Flagge zeigen-'50 Internationale Kunenstler Fahnen", Radevonwald

Dr. Justus Jonas / Kunsthochschule Mainz(마인즈미술대학교)

Sehr geehrte Damen und Herren,

Wie der der amerikanische Künstler Vito Acconci einmal festgestellt hat, ist der öffentliche Raum stets multifunktional, d.h. er ist durch eine Vielzahl von Verhaltens- und Transfermöglichkeiten geprägt; im Gegensatz zum Museum, das man - tautologisch ausgedrückt - nur und mit dem einen Ziel besucht, ins Museum zu gehen. Während wir, sobald wir das Heim verlassen, automa­tisch in den öffentlichen Raum treten, setzt der Besuch eines Museums oder Ausstellungsgebäudes eine selektive, ausschließlich auf einen Zweck gerich­tete Entscheidung voraus. Dies hat vermutlich das Museum mit der Kirche gemeinsam, in der wir uns gerade befinden: man muss ins Museum gehen, um Museumsbesucher zu sein, also Kunst anzuschauen, genauso wie man in die Kirche geht, um in die Kirche zu gehen, d.h. zu beten und den Gottes­dienst zu besuchen.

Das Museum und die Kirche können - in Acconcis Worten - demnach nur „simulierte“ öffentliche Räume sein, da sie mehr oder weniger monofunk­tional und monovektorial angelegt sind, während der „wahre“ öffentliche Raum vom Ankommen, Abreisen und Verweilen bis hin zum Konsumieren, Sichtreffen, Kommunizieren usw. fast sämtliche Optionen und menschlichen Interaktionsformen zulässt.

Was dies für die Kunst im öffentlichen, also nicht museal beheimateten Raum bedeutet, ist hinlänglich bekannt. Wir alle wissen um die Expansions­bestrebungen, aber auch Selbstbehauptungsnöte und Dilemmata der Kunst, sobald sie ihren institutionalisierten Rahmen verlässt und sich unter freiem Himmel der Konkurrenz von Verkehr, Werbung, und Kommerz aussetzt. Und nicht zu vergessen: den Auflagen eines eng gestrickten Netzes ordnungs-poli­tischer Regelwerke zu beugen hat. Daher ist im Laufe der Zeit starke Kritik daran aufgekommen, Kunst sei imstande, den miserablen Erschei­nungsbildern öffentlicher Plätze etwas entgegenzusetzen oder könne zu ihrer „Aufhübschung“ beitragen. Im Gegenteil wurden obligatorische Brunnen- und Marktfiguren ebenso wie mittelmäßige Repräsentanten eines falsch verstandenen Modernismus zur spöttischen Zielscheibe genau des­jenigen, wogegen sie vermeintlich angetreten waren. Und es hat durchaus nicht an kritischen Stimmen aus Fachkreisen gefehlt, die nach dem Boom künstlerischer Außenauftritte der letzten 30 Jahre Kunst auf öffentlichen Plätzen für komplett gescheitert erklären. Nachdem seit den 1970er Jahren insbesondere ungegenständliche Skulptur im Stadt- und Landschaftsraum, auf – bis hin durch Vandalismus zum Ausdruck gebrachte – Ablehnung stieß und sich vielerorts Protest gegen sog. „Unerwünschte Monumente“ (Walter Grasskamp) regte, gelingt solcher Skandal heute nur noch selten. Statt mit Bürgerinitiativen und Unterschriftenlisten gegen die Aufstellung oder für die Entfernung missbilligter Kunstwerken (meistens Skulpturen und Plastiken) zu opponieren, ist heutzutage – mit wenigen Ausnahmen – von solchem Wi­derstand kaum noch zu hören. Nicht nur ist inzwischen, statistisch erhoben, in der Bevölkerung eine mehrheitliche Akzeptanz von zeitgenössischer Kunst im öffentlichen Raum eingetreten, zumal dann, wenn ihr Habitus als „demo­kratischer“ im Vergleich zur der hinter Museumsmauern behüteten emp­funden wird. Längst haben Politik, Verwaltung und Kommunen den Nutz­wert aktueller Kunst im Dienste des Citymarketings erkannt, aus dem mittlerweile eine Fülle konkurrierender Kunst-Events im Wetteifer um die wohnlichsten Innenstädte und identitätsstiftendsten Regionen erwachsen ist. Kritisch formuliert hat sich damit eine neue Form von so geschmähter „Behördenkunst“ etabliert, die mit Hilfe routiniert agierender Zweckgemein­schaften aus Kuratoren, Projektmanagern, Amtsleitungen und Sponsoren die medial geprägte Informationsgesellschaft insbesondere mit sozialen Aktionen und partizipatorischen Projekten befeuert und ihre jeweiligen kulturellen Gruppenbedürfnisse und Interessen abruft. Beteiligte Akteure dieser neu gepriesenen „Kreativwirtschaft“ sind nicht nur, aber vorwiegend Künstler, die durch das Wegbrechen einträglicher Aufträge und ihrer daraus resultierenden prekären wirtschaftlichen Situation den veränderten Realitä­ten Tribut zollen und sich daran gewöhnt haben, kaum mehr im Gestus des massiven Monuments oder der sperrigen Intervention, als vielmehr mit klei­neren, temporären „Public Art“-Projekten auf sich aufmerksam zu machen, wie der Kunsthistoriker Wolfgang Ulrich analysiert.

Dass Kunst durch Ausstellung und Platzierung im Freien seit Jahrhunderten eine Öffentlichkeit besitzt, ist nicht neu. Was sich allerdings geändert hat, ist der Begriff von Öffentlichkeit als solcher. „Öffentlicher Raum“ und „Öffentlichkeit“ sind zweierlei, und die Verlagerung von Werken der bilden­den Kunst in vielfrequentierte Alltagsbereiche bringt ihr nicht zwangsläufig auch mehr Interesse, Aufmerksamkeit und Verständnis ein. Brachte man früher die Kunst wohl vor allem deshalb auf die Straße, um institutionelle Mauern zu sprengen in der Annahme, „Kunst für alle“ zu schaffen und „die Massen“ zu erreichen, geht es heute vielfach darum, unter Begriffen wie „Labor“ und „Experiment“ mit subversiv-alltagsorientierten, meist auch nicht-künstlerisch getarnten Strategien selbst Einfluss auf den Ablauf öffent­licher Prozesse zu nehmen und das Publikum aktiv an deren Initiierung, Fortführung oder Beendigung teilhaben zu lassen. „Art Public“ bezieht sich demnach weniger auf den Ort als auf die Art der Intervention.

Meinen wir überhaupt das gleiche und dieselben Zielgruppen, wenn wir von der „Öffentlichkeit“ sprechen? Ist die Vorstellung einer Öffentlichkeit als bloßer Gegebenheit, die immer schon existiert und sozusagen nur darauf wartet, künstlerisch vereinnahmt zu werden, nicht verkehrt, sondern sollte man stattdessen „Öffentlichkeit“ als etwas definieren, das sich durch Anta­gonismus und Konflikt immer wieder neu hervorzubringen hat, wie Oliver Marchart vorschlägt? Und last but not least: Spielt sich „Öffentlichkeit“ heute nicht weit mehr im Internet als auf Straßen und Plätzen ab? Werden die letztverbliebenen Regungen, dem „Verfall des öffentlichen Lebens“ ent­gegenzuwirken, heute bloß noch durch Straßenfeste, Würstchenbuden und „public viewing“ sportlicher Großveranstaltungen abgebildet?

Gewiss, wer die Vorankündigungen der hiesigen Stadtmagazine und Werbe­broschüren zur heute eröffneten Ausstellung der Künstlerfahnen liest, die die kommunalen Anstrengungen zur Neugestaltung des Marktplatzes beglei­tet, könnte dieses Projekt unter dem Slogan „Rader HochKultur“ für eine entsprechende PR-Aktion im Dienste des Stadtmarketings missverstehen. Schließlich ist da von einem „zugkräftigen internationalen Kulturprojekt“ die Rede, das den Bürgern „keine schwerverdauliche Kost“ liefere und stattdes­sen dazu beitragen solle, die „Identifikation mit ihrer Stadt zu stärken“. Und doch liegen die Dinge im Grunde ganz anders, handelt es sich doch keines­wegs um ein partikuläres und dem Anlass geschuldetes Kunstereignis im Sinne der eingangs kritisch betrachteten „Festivalisierung von Kunst“, wie sie Walter Grasskamp beklagt.

Denn in Wahrheit wurzeln Idee und Vorhaben im seit 1995 erfolgreichen En­gagement der Kunstinitiative Radevormwald und ihres Kopfes Bernd Freudenberg, arrivierte und aufstrebende Künstler aus aller Welt ins Bergische Land zu locken, um auch hier ihre Spuren zu hinterlassen. Während dies den vergangenen Jahren vor allem in Kirchen und gelegentlich – wenn auch eher diskret – auf freien Plätzen Radevormwalds geschah, gilt es diesmal, den Nischenraum zu verlassen und mit 50 eigens entworfenen Fahnen wortwörtlich „Flagge zu zeigen“. Das klingt im übertragenen politischen Jargon demonstrativ selbstbewusst und offensiv solidarisch (zu­mal fast mit dem Ersten Mai, dem „Tag der Arbeit“ zusammenfallend). Der Titel „Flagge zeigen“ könnte auch tatsächlich politisch verstanden werden insofern, als Aus-stellung: Ex-position, nicht auf eine vorhandene Öffent­lichkeit trifft, sondern diese Öffentlichkeit überhaupt erst erzeugt. Und so­weit ich es erkennen kann, geht es nicht darum, eine Stadt oder ein Ereignis zu beflaggen, sondern den Stadtraum in eine Open-Air Galerie zu verwan­deln und darin individuelle künstlerische Positionen zu markieren. (Erinnert sei daran, dass das Aufstellen und symbolische Hissen einer Fahne der demonstrative Akt einer Eroberung oder Besitznahme ist).

Noch einmal: Diese „künstlerische Positionierung“ setzt freilich eine Verbin­dung zum Ort, eine kuratorische Klammer der ausgewählten Teilnehmer voraus. So sind alle eingeladenen Künstlerinnen und Künstler gewisser­maßen „Stammgäste“, die in der Vergangenheit schon ortsbezogene temporäre Arbeiten und Installationen für Radevormwald geschaffen haben: Maler, Medienkünstler und Bildhauer, überwiegend aus dem Umfeld der konkreten, nicht-gegenständlichen Kunst, die in Themenreihen wie „Farbe“, „Skulptur“, „Installation“ und „Bildlicht“ zusammengefasst waren. Wenn diese nun ihre Motive, Sujets und stilistischen Erkennungszeichen in ein ungewöhnliches und für die meisten Beteiligten unübliches Format über­tragen, dann sind ihre Fahnen – wohlgemerkt: allesamt Unikate – nicht nur selbstverweisende künstlerische Hoheitssymbole, sondern in gewissem Sinne auch Reminiszenzen, Erinnerungsbilder und an früher hier stattgefun­dene Ausstellungen.

„Die Stadtfarben von Radevormwald sind rot weiß. Flagge und Banner zei­gen die Farben rot-weiß mit dem Stadtwappen in der Mitte des Tuchs“.

So ist es lapidar in der Hauptsatzung der Stadt festgelegt. Nun wehen genau 50 Fahnen von 23 Künstlerinnen und Künstlern größtenteils als Hissflaggen von bereits vorhandenen und eigens dafür neu gesetzten Masten. Darüber hin­aus wurden aber auch Fahnen als Banner an Häusern und Wänden ange­bracht, um den intendierten Ortsbezug noch deutlicher herauszustellen. Dies trifft beispielsweise auf die schwarzweißen, totemartigen Schriftgebilde des gebürtigen Mexikaners Pablo Helguera zu, die mit dem Fachwerk der benachbarten Schule korrespondieren, oder auch auf Raymund Kaisers Farbbanner an der Ev.-lutherischen Kirche in unmittelbarem Dialog mit den von außen nur opak erscheinenden Fenstern des Glaskünstlers Gerlach Bente. Für die streng geometrischen Quadrat- und Linienformen der in New York arbeitenden Christine Evertz und des verstorbenen Bildhauers Diethelm Koch wurde die Außenfassade des Rathauses zugrunde gelegt und Aspekte ihrer Erscheinungsweise berücksichtigt.

Farbkünstler wie Erwin Graumann, Hartwig Kompa, Gabriele Schade-Hasenberg, Matthias Neumann und Achim Zeman, haben die Fahnen flächenfüllend monochrom oder polychrom anfertigen lassen. Auch von den verstorbenen Künstlern Kuno Gonschior und Erdmut Bramke stammen ent­sprechend ganzflächige Ausführungen, während Ines Hock mit bunten Ovalformen an ihre Bemalungen des Innenraums der Ev.-ref. Kirche und Günter Dohr an seine Lichtinstallation im Altarraum der Katholischen Kirche St. Marien (beide 2008) erinnert.

Für Bildhauer ist die Transferierung in ein hochrechteckiges Flächenformat keine einfache Selbstverständlichkeit. So hat Rolf Nolden sein Prinzip plasti­scher Schichtung und Multidimensionalität, das er mit seinem „Glasstapel“ 2004 in Ev.-ref. Kirche zum Ausdruck gebracht hat, in seinem Fahnentwurf wiederholt und in ein Symbol der biblischen Himmelsleiter übertragen. Ähn­lich aufstrebend gibt sich Raimer Jochims´ pfeilartige gelbe Form zu erken­nen, einerseits ein demonstratives Ausrufezeichen vor dem Turm der Reformierten Kirche am Marktplatz und deshalb auch zu Recht auf dem Plakat der Fahnenausstellung gelandet, zugleich aber auch eine Hommage an Brancusis berühmte Serie dyna­mischer Bronzeskulpturen „Vogel im Raum“. Jochims´ Kreuze wiederum, in und vor der Martinikirche, verwandeln dagegen Formen christlicher Symbolik und religiöser Liturgie (wie den Tabor, das Podest für eine Monstranz) in abstrakte, arche­typisch wirkende Farbgestalten.

Diese Nähe zum Sakralen, vor allem seiner Architektur, lässt sich auch beim Bildhauer Erwin Wortelkamp ausmachen, der 2003 insgesamt 12 skulpturale Setzungen in der Stadt vorgenommen hat, wobei die 4 Kirchengebäude stets die zentralen Bezugsgrößen seines Projekts waren. Aus der später angekauften und direkt vor der Kirche platzierten Bronzeskulptur ließ er ein markantes Detail, im wahrsten Sinne einen „Ausschnitt“ vergrößern und auf den Banner übertragen, der nun der Skulptur zur Seite steht. So wie die „Kopfskulptur“ mit dem Kopfstein des dahinter befindlichen Rundbogens korrespondiert, werden Details der Sägeschnitte nun mit dem Bruchstein­mauerwerk der Kirchenwand in Beziehung gesetzt, strukturell wie farblich. Fahne und Skulptur bespiegeln sich nicht nur wechselseitig, sondern treten mit der Architektur in einen Trialog.

Wenn ich es auch an dieser Stelle nicht vermag, alle Beteiligten zu erwähnen (auch nicht ihre interessanten Querverbindungen untereinander), sei zum Abschluss jedoch auf die bemerkenswerten Entwürfe gerade der jüngsten eingeladenen Medienkünstlerinnen My Ryeon Kim, Anna Lena Tsutsui und Lisa Weber hingewiesen, die in den Bereich der abbildlichen Figuration vor­dringen. So hat Anna Lena-Tsutsui aus den Umrissen der als Kulturflächen ausgewiesenen Gebiete Radevormwalds abstrakte Farbformen extrahiert und sozusagen ein gemeinsames Emblem für das Gesamtprojekt geschaffen. Lisa Webers Fahnen mit dahinziehenden Vogelschwärmen - ein wiederkehrendes Motiv ihrer Videoarbeiten - bringen Flügelschlag und Fahnenflattern als verschiedene Bewegungsmodi zur Deckung: Vogelflug und Fahnenbewegung werden gewissermaßen eins. Und was für Lisa Fahnen gilt, ließe sich in ähnlicher Weise auch für die im Gegenlicht transparent schillernden Wasseroberflächen auf den Flaggen von Rosa M. Hessling sagen.

So bleibt am Ende, um zu Ausgangspunkt zurückzukehren, zu wünschen, dass, genauso wie es gelungen ist, den monofunktionalen Kirchenraum mit zeitgenössischer Kunst neu zu sehen, es nun umgekehrt glückt, den multi­funktionalen Stadtraum zu durchdringen und künstlerisch aufzuladen. Und da sich das Wort Flagge etymologisch aus dem altnordischen Begriff „flogra“ für „flattern“ ableitet, d.h. also der Gegenstand mit seiner Bewe­gung identisch ist, möge es dem Projekt nicht am angemessenen Wind fehlen, um die Fahnen zur ihrer buchstäblichen Ent-faltung zu bringen.


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